Eindrücke von den Aufführungen am 07.06.2016

Kurs Rigterink: Die Balladen "Der Zauberlehrling", "Kaspar Hauser" und "Der Erlkönig"

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Kurs Hörmeyer: "Der Taucher"

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Kurs Fröhlich: "John Maynard", 2 Inszenierungen zu "Die Ballade vom Nachahmungstrieb"

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Kurs Brookmann: "Ballade vom verlorenen Sohn" und "Der Clown"

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Wer reitet so spät ... durch Aula und Schul'? Zehnklässler erobern mit Balladen die Bühne

"Darstellendes Spiel" wird immer beliebter und so stellen Anfang Juni gleich vier Kurse der Klassen 10 ihre Projektergebnisse vor.

Im ersten Halbjahr lernten die Jugendlichen in den Kursen von I. Brookmann, J. Fröhlich, W. Hörmeyer und K. Rigterink das neue Fach kennen. Sie erprobten sich, ihre Stimme, ihre Mimik und Gestik mit unterschiedlichen Spielen und Übungen, setzten kleine Texte in Miniszenen um und erfuhren, dass dieses dritte der musischen Fächer schweißtreibender als Kunst und Musik ist. Noch mehr ins Schwitzen gerieten sie Anfang Juni, als sie ausgewählte Projekte der Schulöffentlichkeit vorstellten. "Muss das sein?", war die häufigst gestellte Frage im Vorfeld. Aber sicher!

Aus dreißig Balladen haben die Jugendlichen die für sie passende ausgesucht. Viele Schülergruppen griffen zu den Klassikern, "Erlkönig", "Zauberlehrling", "Taucher" – die alten Balladenmeister, Goethe und Schiller, faszinieren noch 2016.

Viele Projekte modernisieren die Handlung radikal. Aus dem "Taucher" (Schiller) wird ein Mafioso, der einen Mord begehen muss, um die Hand der Königstochter, 2016 die Tochter des Paten, zu bekommen. "Kaspar Hauser" (Reinard Mey) ist heute ein junges syrisches Mädchen, das von einer stolz-dummen Faschistin erstochen wird. Und was ist aus dem tapferen "John Maynard" (Fontane) geworden? Ein Busfahrer, der durch den Berliner Kiez fährt und seine Passagiere aus dem brennenden Bus rettet.

Andere Balladen werden werksgetreuer inszeniert. So sind die Schauerfiguren um den "Erlkönig" (Goethe) keine Einbildungen eines todkranken Kindes, sondern angsteinflößend real und geistern durch das Publikum der Aula. Auch der Zaubermeister –  2016 eine Hexe – taucht mitten im Publikum auf, bevor sie ihre unfähigen "Zauberlehrlinge" (Goethe) zur Schnecke macht.

Der Klamauk kommt ebenfalls nicht zu kurz. Einen Riesenspaß haben Darsteller und Publikum mit dem zweifach inszenierten "Nachahmungstrieb" (Kästner). Eigentlich eine traurige Geschichte, stirbt doch der kleine Fritz im brutalen Spiel. Aber nicht mehr traurig, wenn Fritzchens Mutter eine mit Handtasche oder Staubwedel herumwirbelnde Tunte ist, die zwischen flötendem Sopran und brummigem Bass hin- und herspringt und ein scheußliches rosa Kleid mit langem Schlitz trägt. Auch nicht traurig, sondern spaßig, wenn Herr Meier, der angeschmachtete Sportlehrer, aus Versehen durch K.O.-Tropfen zu Boden geht.

Einen sicheren Blick auf die Konflikte unserer Zeit beweisen die Jugendlichen mit ihren Inszenierungen vom "Clown" (Görges) und vom "Verlorenen Sohn" (Degenhardt). Die "Clowns" zeigen, dass ihnen die gnadenlose Überforderung der Frau, die sich zwischen ihren Pflichten als Ehefrau, Mutter und Arbeitnehmerin zerreibt, nicht fremd ist. Näher an ihrer Generation sind die Mädchen, die mit dem Degenhardt-Text einen Jungen in den Mittelpunkt stellen, der den Anforderungen seines Karrieristenvaters nicht genügen kann.

So unterhielten die Zehntklässler sich und das Publikum mit Spaß, Ernst, Grusel und Nachdenklichkeit. "Viel besser, als nur vor dem Kurs zu spielen" -  das passende Fazit am Ende des Abends.

Kirsten Rigterink