„Nach dem Dunkel kommt wieder das Licht“ - Grenzgänger spielen in der Aula des Gymnasiums vor Schülern des Jahrgangs 11 Lieder aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern

Vorstellbar ist es kaum. Dennoch sind inmitten der nationalsozialistischen Konzentrationslager – Orte des täglichen Mordens und Leidens, der allgegenwärtigen Schikanen und Quälereien, der enthemmten und für die Täter folgenlosen Gewaltorgien – Zeichnungen, Gedichte und Lieder entstanden. Sie zeugen von den Emotionen und Gedanken der Gefangenen, von ihren Ängsten, ihrer Wut und Verzweiflung, aber auch von der Sehnsucht nach Freiheit und einem starken Überlebenswillen.

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Auf Einladung der Jugendarbeit der Stadt Nordhorn kam die Bremer Gruppe Grenzgänger am 03. Februar nach Nordhorn. Das Angebot eines kostenlosen Konzertes im Gymnasium wurde von der Schulleitung und der Fachgruppe Geschichte gerne aufgenommen, und so konnte den Schülern des Jahrgangs 11 eine besondere „Geschichtsstunde“ geboten werden, in die Frau Beckmannshagen, Herr Naber und Herr Krol kurz einführten, bevor das etwa einstündige Programm begann. Es bestand aus Liedern, die zumeist in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten entstanden sind, und die auch die jüngst erschienene CD „Und weil der Mensch ein Mensch ist“ füllen. Diese Musik dürfte für die meisten Oberstufenschüler (mindestens) ungewohnt gewesen sein, dennoch fiel auf, wie bewegt und zum Teil auch erschüttert einige im Anschluss an das Konzert waren. Die als Gruppe wie auch individuell am jeweiligen Instrument überzeugenden Grenzgänger um den Bremer Liedermacher Michael Zachcial beeindruckten mit ausgefeilten, den jeweiligen Text interpretierenden Arrangements. Hier zeigten sich auch die drei anderen Bandmitglieder Felix Kroll (Akkordeon), Annette Rettich (Cello) und Frederic Drobnjak (Gitarre) als Meister ihrer Instrumente.

Viele Stücke drehten sich um Gedanken, Wünsche und Sehnsüchte der Menschen in Schutzhaft, so der zynische Ausdruck der Nazis für das Verschleppen, Einsperren und (oft) durch erzwungene Arbeit und gezielte Unterernährung herbeigeführte Sterben der Opfer. Zerrissen zwischen Verzweiflung und letzten Hoffnungshalmen werden die meisten der Stücke von dem Gedanken getragen, Heimat und Familie in Freiheit wiederzusehen: „Nach dem Dunkel kommt wieder das Licht!“ (Im Walde von Sachsenhausen). Die Perspektive der Hinterbliebenen wird im Stück Mein Vater wird gesucht eingenommen. Dass Angehörige einfach verschwinden können und die offiziellen Erklärungen nicht überzeugen, hat manche Schüler sehr bewegt: Was passiert, wenn der Staat selber verbrecherisch wird und zugleich die Macht hat, das eigene Tun nach Belieben umzudeuten oder zu vertuschen? Die passend zugeschnittenen Einführungen zu den Stücken erleichterten das Verständnis.

In der anschließenden Diskussion wurde insbesondere die Aktualität des Konzertprogramms herausgestellt: Die auch in Nordhorn wahrnehmbare Flüchtlingssituation und das Erstarken der politischen Rechten, insbesondere aus der vermeintlichen politischen Mitte der Gesellschaft heraus, zeigten, dass es eine Verpflichtung gebe, an die Folgen von Hass, Ausgrenzung und vermeintlich einfach Schuldzuweisungen zu erinnern.

Der Gang der Gruppe aus Bremen an die Grenze nach Nordhorn hat bleibende Eindrücke hinterlassen. Die Lieder aus einer Zeit der faschistischen Zivilisationsverachtung mahnen uns, allen Menschen mit Menschlichkeit zu begegnen. Gerade auch heute.

Martin Krol