Die Schülerinnen der Französischkurse am Gymnasium Nordhorn hatten die seltene Gelegenheit, den Autor einer der Pflichtlektüren für das Zentralabitur persönlich kennen zu lernen. Im Anschluss daran stellte Azouz Begag seine Kurzgeschichte „Et tranquille coule le Rhin“ einer größeren Schülerschaft in der Aula vor.

Warum entscheidet sich ein kleiner in Frankreich lebender Junge algerischer Abstammung dafür, in der Schule Deutsch als erste Fremdsprache zu wählen, obwohl alle seine Freunde Englisch lernen wollen und Deutsch als eine überaus schwierige und harte Sprache gilt?

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Diese Frage beantwortete der französische Buchautor und ehemalige Minister für die Förderung der Chancengleichheit Azouz Begag auf sehr amüsante Weise im Rahmen seiner Lesung am Gymnasium Nordhorn.

Von Deutschland weiß Azouz zu dieser Zeit so gut wie nichts – abgesehen von einigen Begriffen wie Führer, Luftwaffe, Blitzkrieg, schnell, Kartoffel. Was er jedoch genau kennt, ist die Zusammensetzung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Und sein großes Vorbild ist ein gewisser Gerd Müller, der wie ein Mercedes oder BMW auf das Tor zurast und seine Gegner das Fürchten lehrt. „Mannschaft“ ist dann auch das erste deutsche Wort, das Azouz mit Freuden ausspricht. Und er träumt davon, ein internationaler Fußballstar zu werden. Dabei, so meint er, könnten ihm seine Fremdsprachenkenntnisse -neben dem Algerischen, das er mit seinen Eltern zu Hause spricht, dem Französischen, dem Deutschen und dem Lateinischen, das er neben Deutsch auch noch lernen muss, durchaus hilfreich sein.

Seine Fußballträume gibt er bald auf, nicht jedoch seine Motivation für das Erlernen der deutschen Sprache. Neben einer sehr engagierten Lehrerin trägt dazu die überaus attraktive junge Fremdsprachenassistentin Ursula Müller bei, die er mit seiner perfekten Aussprache beeindrucken möchte. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern hat er damit wenig Probleme, weil es viele der für Franzosen schwierigen Laute auch im Algerischen gibt. So gelingt es ihm schon nach kürzester Zeit, den Satz „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ein Taxi zu nehmen“ fast akzentfrei auszusprechen.

Das Wichtigste beim Erlernen einer fremden Sprache, so Begag, sei der Wille, die Motivation. Und man dürfe keine Angst davor haben, lächerlich zu wirken. Am schnellsten erlerne man eine Sprache natürlich bei einem Auslandsaufenthalt- besonders effektiv sei es, sich in einen Menschen des entsprechenden Landes zu verlieben. Liebe verleihe auch sprachliche Flügel!

Azouz Begag gab den Schülerinnen und Schülern neben seiner Lesung Raum für Fragestellungen. Armut, so erfuhr die Schülerschaft, habe seinen Vater damals bewogen, seinen algerischen Heimatort „vorläufig“ zu verlassen. Dieser habe nie die Absicht aufgegeben, nach Algerien zurückzugehen und habe daher auch nie richtig Französisch gelernt. Dass er das Lernen dennoch für überaus wichtig hielt, machte Azouz Begag mit einer sehr eindrucksvollen Geschichte deutlich. Sein Vater, der weder lesen noch schreiben konnte, habe ihm einmal ein Buch gezeigt mit der Frage, was das sei. Als Azouz darauf „ein Buch“ antwortete, habe sein Vater ihm erklärt, dass das Buch wie ein Vogel sei. Man könne damit aus seinem Milieu wegfliegen, frei werden. Das wirksamste Mittel gegen die Radikalisierung Jugendlicher, so Begag, sei daher Bildung. Die Sprache sei der wichtigste Schritt zu einer gelungenen Integration, betonte Bagag im Hinblick auf die Migrationsthematik.
Azouz Begag, der in einem Slumviertel von Lyon aufwuchs, hat es geschafft: Als Minister war er zwei Jahre lang in der französischen Regierung tätig, als Buchautor ist er vielen Schülern in der ganzen Welt bekannt.

Die Nordhorner Schülerinnen und Schülern dankten ihm mit einem herzlichen Applaus für zwei unterhaltsame Stunden. Unser Dank gilt auch dem Förderverein des Gymnasiums Nordhorn sowie dem Klett-Verlag für die finanzielle Unterstützung der Veranstaltung.

Doris Tholema