Zeitansager fuhren durchs Barackenlager
Geschichtskurs Q12 besucht das Museum Lagerbaracke Alexisdorf-Neugnadenfeld

Passend zum Schwerpunktthema des aktuellen Sommerhalbjahrs „Flucht und Vertreibung im Umfeld des Zweiten Weltkriegs“ besuchte am 08. Mai 2015, einem Tag, der wie kaum ein zweiter in diesem Jahr aufgeladen ist mit historischer Bedeutung, der Geschichtskurs Q12 das Dorf Neugnadenfeld.

Hier bekamen wir von Herrn Pasternak vom Verein Lagerbaracke Alexisdorf-Neugnadenfeld (kurz: LAN; http://www.neugnadenfeld.de/index.php/lan-ev/der-lan-ev) einen Vortrag über die Entstehung des Dorfes aus den Resten des bis 1945 von der Wehrmacht genutzten Kriegsgefangenenlagers Alexisdorf samt einer Führung durchs Museum und zu einigen der historischen Freiluftinstallationen.

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Das Lager XV. Alexisdorf war eines der berüchtigten Emslandlager, dessen bekannteste vielleicht die Lager Esterwegen (hier war z.B. Carl von Ossietzky interniert) und Börgermoor (hier entstand das weltweit bekannte Lied Die Moorsoldaten) waren. Wir erfuhren von Herrn Pasternak, dass 1945/46 die ersten Flüchtlinge – unter tatkräftiger Vermittlung des Bischofs Steinberg von der Herrnhuter Brüdergemeinde, die sich auch in Neugnadenfeld etablierte – vom ersten Ministerpräsidenten Niedersachsens, Hinrich W. Kopf die Reste des Lagers Alexisdorf zugewiesen bekamen und hier, mitten in Moor und Heide sowie weitgehend ohne befestigte Straßen (!), den Neubeginn wagten.

Diese Lagerrest boten sich an, denn erstens stand hier ein noch funktionsfähiges Wasserwerk und zweitens gab es eine Transformatorenstation, die die Versorgung mit Elektrizität ermöglichte. Die Anfänge beschrieb Herr Pasternak als einfach: Die Menschen kamen mit sehr wenig hier an – alles musste nach und nach gebaut oder organisiert und immer musste improvisiert werden: Familien mit teilweise fünf Personen wohnten in einem (!) Barackenzimmer; das Casino für die Wachmannschaften wurde zur Kirche umfunktioniert, wobei man zu den Gottesdiensten seine eigene Sitzgelegenheit mitbringen musste; mangels vieler Zeitmessgeräte fuhr zu bestimmten Tageszeiten jemand durchs Barackendorf und sagte die Zeit an; eine erste Kuh wurde aus den USA, ein Kindergarten von einer niederländischen Flüchtlingsorganisation gespendet; Baumaterial kam über den Wasserweg, wobei es die Regel war, dass nach Arbeitsschluss abends noch beim Entladen geholfen wurde. Überhaupt war es die gegenseitige Hilfe, die die Menschen hat überleben lassen. Erste Möglichkeiten der Erwerbsarbeit bot pikanterweise die Moorkultivierung, also genau jene Arbeit, die zuvor – wenn auch erzwungen – den Kriegsgefangenen abverlangt worden war. Nach und nach kamen weitere Flüchtlinge, oft Familienangehörige und Bekannte derjenigen, die schon in Neugnadenfeld waren, in die Niedergrafschaft. In vielen Fällen geschah dies auf Vermittlung durch das Rote Kreuz oder auf ungewisse, mündliche Auskünfte hin.

Der LAN-Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bemerkenswerte Geschichte Neugnadenfelds zu dokumentieren und weiterzugeben. Sie erzählt von Menschen, die nach Fluchterfahrungen, nach Not, Leid und Entbehrung, in der Grafschaft eine Chance zum Neuanfang bekommen und diese erkennbar genutzt haben. Wir danken Herrn Pasternak und dem LAN-Verein für die wichtige, ehrenamtliche dokumentarische Arbeit und für die vielen interessanten Informationen.

Martin Krol